Künstliche Intelligenz für Zahnärzte: Hilfe oder Entmündigung?

Künstliche Intelligenz (KI) kann sichere selbstfahrende Autos produzieren, andererseits aber die Börsen abstürzen lassen. Und auch in der Zahnmedizin stehen hoffnungsvollen Chancen einige ungemütliche Risiken gegenüber.

Menschliche vs. künstliche Intelligenz

Menschliche Intelligenz funktioniert wie folgt: Unser Gehirn analysiert Daten mithilfe bestimmter Werkzeuge, die durch Lernen erworben wurden und laufend verbessert werden. So bewerten Zahnärzte Röntgenbilder durch ihre langjährige Erfahrung in der Praxis und mithilfe ihrer theoretischen Kenntnisse aus Studium und Fortbildung. Anschließend stellen sie eine Diagnose und empfehlen eine Therapie.

Beim Einsatz Künstlicher Intelligenz hingegen bewerten Algorithmen solche Röntgenbilder. Die Software untersucht die Daten – ähnlich wie das Gehirn – auf typische Muster, anhand derer es die Regeln eigenständig erlernt und stetig verfeinert. Bereits heute zeigt das maschinelle Lernen bei sich wiederholenden Aufgaben beeindruckende Ergebnisse – also immer dann, wenn riesige Datenmengen verarbeitet werden müssen und beim Menschen dazu führen können, dass seine Konzentration nachlässt oder er den Überblick verliert.

Bedenken gegen KI

Einige Menschen haben jedoch große Vorbehalte gegenüber KI: Außer Kontrolle geratene roboterähnliche Maschinen sind zwar eher Zerrbilder von apokalyptischen Science-Fiction-Filmen; die Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes ist da schon wesentlich greifbarer. Im Bereich der Zahnmedizin hört man bereits von Robotern in China, die vollautomatisch Implantate setzen – derzeit noch eine Vorstellung, die vielen Menschen Angst macht.

Vorteile überwiegen Nachteile

Die Möglichkeiten der KI sind jedoch insbesondere im (zahn-)medizinischen Bereich nicht hoch genug einzuschätzen – die Vorteile überwiegen die Nachteile deutlich. Doch bei aller Euphorie sollte nicht vergessen werden: Die menschliche Intelligenz bleibt der entscheidende Faktor. Wird beispielsweise mit einer qualitativ schlechten Datenbasis programmiert, sind die Ergebnisse entsprechend mangelhaft. Das Problem: Die Fehler beim „Füttern“ des Programms können am Ende nur schwer nachvollzogen werden – es ist also kaum mehr ersichtlich, auf welcher Datenbasis die Maschine ihre Empfehlungen ausspricht.

Hilfe für den Zahnarzt

Für den Zahnarzt – und auch für den Patienten (!) – bietet der Einsatz von KI jedoch greifbare Vorteile: KI leistet z. B. Hilfestellung bei komplexen Analysen – etwa bei der Frage, ob auf dem Röntgenbild Karies zu erkennen ist. Eine verbesserte Diagnostik kommt dem Patienten zu Gute, die Behandlungsqualität erhöht sich. Im Idealfall wird der Zahnarzt von Routineaufgaben entlastet, wodurch mehr Zeit bleibt, sich dem Patienten zuzuwenden. Weitere Anwendungsfälle von KI gibt es etwa bei der Zusammenführung von Patientendaten aus verschiedenen Bereichen wie Bildgebung, Laborwerten etc., bei der assistierten Planung von Implantatpositionen und bei der Abrechnung mit Kostenträgern.

Schon heute führen KI-unterstützte Systeme zu besseren Ergebnissen als ohne deren Einsatz. Selbst wenn KI-Lösungen in solchen Bereichen den menschlichen nur ebenbürtig sind, ist ihre Geschwindigkeit deutlich höher. Zeitersparnis bedeutet für den Zahnarzt Kostenersparnis – ein wichtiger Aspekt für die Wirtschaftlichkeit der Zahnarztpraxis.

KI fördert Behandlungsqualität

Bestimmt somit der Computer oder eine App künftig, was der Zahnarzt zu tun und zu lassen hat? Soweit wird es wohl nicht kommen, die Entscheidungshoheit muss selbst beim Einsatz bester KI immer noch der Zahnarzt selbst haben. Doch aufgrund der größeren Leistungsfähigkeit bei ganz bestimmten Aspekten wird auch der konservative Zahnarzt künftig nicht mehr auf den Einsatz von KI verzichten wollen – schon aus Gründen der qualitativ hochwertigen Patientenbehandlung.

Die Gefahr bei der routinemäßigen Verwendung von KI besteht vor allem darin, dass dem Zahnarzt die eigene Übung und Erfahrung auf solchen Feldern schleichend abhandenkommen könnte, welche zunehmend auf Systeme der KI übertragen werden. Ein plastisches Beispiel aus dem Alltag: Seit jedes Smartphone ein GPS mit Routenplaner hat, kennen immer weniger Menschen die Straßennamen der nächsten Umgebung – steht ja alles im Netz!

Der Zahnarzt sollte mündig bleiben

Um der Gefahr der Entmündigung zu begegnen, sollten inhaltliche Anforderungen im Zahnmedizin-Studium dafür sorgen, dass auch in Zukunft das Erlernen von „analogen“ Techniken im Fokus bleibt. Zudem sollte die KI-Kompetenz in das Curriculum aufgenommen werden: Dabei wird der angehende Zahnarzt mit den Grundlagen der Arbeitsweise von KI-Systemen vertraut gemacht. So kann er Entscheidungen von KI-Systemen nachvollziehen und sich notfalls, soweit zahnmedizinisch begründet, den Lösungsvorschlägen der Künstlichen Intelligenz entgegenstellen – mit seiner menschlichen Intelligenz.